»Generationen« von
Kerstin Bruchhäuser

24/08/2024 –
02/11/2024

 

Neue Inszenierungen, neue Denkweisen
Eine Freiflughalle für Sitzmöbel, ein Ort, der sich dem Schweben, Schwingen und den Verwandtschaften zwischen Stühlen verschrieben hat: ein Gesamtkunstwerk. Nicht besser könnte man das Tecta Kragstuhlmuseum mit seinen drei gläsernen Museumshallen inmitten der Tecta-Landscape beschreiben. Ein Ort, der vibriert und Platz für Visionen wie diese hat:

Neue Ausstellungsreihe
Kunst und Design im Dialog heißt es künftig im Tecta Kragstuhlmuseum. Das bedeutet: der Traum vom Schweben und Schwingen erhält eine neue Dimension. Die Idee dahinter: die Kragstuhlsammlung mit korrespondierenden künstlerischen Interventionen zu begleiten. Die thematischen, auch monografischen Ausstellungen haben konkrete Bezüge zur Sammlung und zeigen immer wieder neue Herangehensweisen. Regelmäßig werden die drei Museumshallen neu inszeniert und berührende Assoziationen, Allianzen und Sichtweisen geschaffen. Die Ausstellungsreihe regt Künstler und kreative Köpfe aus unterschiedlichen Sparten an, sich mit der Sammlung des Hauses auseinanderzusetzen, neue Arbeiten zu denken und zu schaffen.

Auftakt: Generationen
Drei Generationen, drei Museumshallen, drei visionäre Projekte – Eine Idee von Generationen für Generationen – und über Generationen von Möbeln, Stühlen, Exponaten und Designern hinweg.

Anmeldung zur Vernissage
Freitag, 23. August 2024, 17 Uhr

Monochrome Farbigkeit

Die Hamburger Künstlerin Kerstin Bruchhäuser hat sich in Teilen ihrer künstlerisch-wissenschaftlichen Dissertation an der Bauhaus-Universität mit der Geschichte der »Weißwäsche« beschäftigt. Jene Aussteuer, die junge Frauen bis 1958 zur Gründung eines eigenen Haushalts erhielten. Das Material aus dem privat-persönlichen Bereich transformiert sie heute in ihren Arbeiten zu neuem Leben und überführt es in einen öffentlichen Ausstellungskontext. Die weiße Wäsche zieht sich als verbindendes Element durch ihre Exponate in den drei Ausstellungshallen.

Ausstellung »You may recognize yourself« in der Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg

Halle 1:
off the ground

Womenpower fürs Bauhaus: In seiner ersten Rede vor den Studierenden in Weimar versprach Walter Gropius, »keinen Unterschied zwischen dem schönen Geschlecht und dem starken Geschlecht« zu machen – ein in seiner Zeit fortschrittlicher Ansatz mit dem er klarstellte, dass in der Arbeit alle Handwerker seien. Doch schon bald wurde man von der Realität eingeholt: Angesichts des hohen Anteils weiblicher Studierender bestimmten die männlichen Professoren, nicht zuletzt Walter Gropius selbst, welche Werkstätten für die Frauen geeignet waren. So landeten viele der Studentinnen schließlich unfreiwillig in der Weberei oder Textilproduktion. Einige wenige setzten sich durch und studierten ihren Interessen entsprechend in der Metallwerkstatt, der Tischlerei oder der Wandmalerei.

Im Jahr 1928 kam Karla Grosch, selbstbewusst und mit Kurzhaarschnitt, als erste Sport- und Gymnastiklehrerin ans Bauhaus Dessau. Neben der Weberin Gunta Stölzl war sie eine der wenigen weiblichen Lehrkräfte. Inspiriert von fotografischen Frauenportraits, die T. Lux Feininger während des Sportunterrichts anfertigte, lässt Kerstin Bruchhäuser textile Portraits der Bauhausfrauen aus antiker Aussteuerwäsche entstehen. Kerstin Bruchhäuser inszeniert den Spagat der Frauen zwischen Aufbruch und Rückzug und präsentiert in zwei neuen, raumhohen Arbeiten den Inbegriff der modernen, unabhängigen Frau am Bauhaus. Normal, auf dem Kopf und im Sprung – die Bilder der Grätschübungen werden zum Symbol für die Hoffnung auf eine selbstbestimmte Zeit. Ob es gelingt? Bruchhäusers Exponate regen zum Dialog an. Beleuchten den Sprung in eine neue Zeit, das Sprengen und »Herausspringen« aus tradierten Frauenbildern.

Halle 2:
remnants rearranged

Eine textile Collage aus Weißwäsche-Resten als gesamtgesellschaftliches Gebilde – neu arrangiert und aus dem aktuellen Blickwinkel betrachtet. Viele kleine Teile ergeben ein großes Ganzes und bringen die Balance für ein nachhaltiges und raumgreifendes Werk. Aus Resten vorheriger Arbeiten, rund einem Kubikmeter weißer Wäsche »schöpft« Kerstin Bruchhäuser den Stoff für diese künstlerische Reflexion. Verarbeitet in der koreanischen Patchworktechnik eines Pojagi zeigt sich das textile Objekt als weibliches Erbe, eine Stoff gewordene Metapher, die Fragen nach Unabhängigkeit und Emanzipation, ebenso wie Zweifel und Zwiespälte aufdeckt.

Halle 3:
you may recognize yourself

Bin ich das? 12 Portraits aus Weißwäsche, etwa drei Meter hohe Textilobjekte, zeigen Frauen der Gegenwart in der Rückenansicht und laden ein zur Identifikation. Wie könnten die Porträtierten von vorne aussehen? Die Darstellungen spiegeln unsere Vorstellungen und Erwartungen an das Sichtbare, auch an uns selbst. Moderne Frauenbilder auf traditioneller Weißwäsche, von Generation zu Generation und von Frau zu Frau weitergegeben. Kerstin Bruchhäuser reflektiert die individuellen Merkmale, die den Wiedererkennungswert eines Menschen ausmachen und entlarvt gleichzeitig die serielle Monotonie von Kleidung und Körpern als soziokulturelles Phänomen. Begegnung oder Abgrenzung der Generationen? Der Wunsch nach Gleichheit trifft auf Uniformität und gleichzeitig auf die Hoffnung von Individualität. Ein Perspektivwechsel, eine künstlerische Intervention – eingefangen in weißer Wäsche von Kerstin Bruchhäuser.

Kerstin Bruchhäuser

Kerstin Bruchhäuser setzt für ihre Arbeiten gebrauchte Textilien als Medium ein. Die von ihr verwendete antike Aussteuerware, wird dabei als Träger von Erinnerungen respektvoll wiederverwertet und in einen neuen Kontext überführt. In einer Serie von Installationen im Tecta Kragstuhlmuseum entstehen von 2024-2026 neue großformatige und dann auch wieder kleinteilige Arbeiten, die Herkunft, Fortbestand und Gegenwart im Kontext der Dauerausstellung beleuchten. Erfahren Sie mehr über die Arbeit von Kerstin Bruchhäuser auf ihrer Homepage